Vielleicht hast du für dein Kind ein Ergotherapierezept bekommen und bist darauf über die Diagnose „Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen“ gestolpert? Dann möchtest du natürlich wissen, was das ist und suchst Informationen.
In diesem Artikel gebe ich dir als Elternteil einen kurzen, ersten Überblick über dieses Krankheitsbild. Auch als Fachkraft (Kindergarten, Schule, Therapie) können die nachfolgenden Hinweise u.U. hilfreich sein. Nutze die nachfolgenden Buttons, um den Artikel mit anderen zu teilen:
Inhaltsverzeichnis
Wie sich die Symptome im Alltag zeigen können
Es treten nicht immer alle Symptome auf, aber vielleicht kommen dir einige bekannt vor:
- Dein Kind braucht für das Erlernen von neuen Bewegungen auffällig länger als andere Kinder. Teilweise zeigte sich dies auch schon innerhalb der ersten Lebensjahre bei den sogenannten „Meilensteinen“ wie z.B. Drehen, Krabbeln, Laufen, Drehverschluss öffnen, etc).
- Insgeheim denkst du vielleicht „Meine Güte, wie oft soll ich es denn noch erklären/zeigen, bis es klappt?“
- Wenn du in der kinderärztlichen Praxis erzählen sollst, wie dein Kind zurecht kommt, dann fallen dir kaum andere Beschreibungen als „tollpatschig“, „schusselig“, „zu faul zum malen/anziehen/etc.“ ein?
- Die Morgen- oder Abendroutine ist sehr herausfordernd. Das selbständige Anziehen klappt immer noch nicht ohne deine Hilfe. Die Abläufe im Badezimmer (Zähne putzen, sich fertig machen) oder die Situationen am Frühstückstisch (versehentliches Umstoßen von Gläsern, Verschütten von Flüssigkeit beim Eingießen, ungeschickter Umgang mit Besteck, usw.) sind stressig.
- Im Kindergarten ist dein Kind eher im Garten und in der Bauecke zu finden als sich an Bastelaktionen zu beteiligen oder gar ein Bild zu malen. Ggf. vermeidet es den Umgang mit einem Stift auch komplett und das Thema ist bereits deutlich konfliktbelastet.
- In der Schule tut sich dein Kind schwer mit der allgemeinen „Selbständigkeit als Schulkind“. Dies zeigt sich z.B. in Problemen wie mangelnde Ordnung im Ranzen, Vergessen von Sachen, Kleidung verkehrt herum anziehen, etc.
- Bewegung – und Sportspiele gelingen deinem Kind nur in gewissen Bereichen.Etwas langsam, genau oder koordiniert durchzuführen fällt ihm sehr schwer. Dein Kind sagt dann vielleicht „Hab keine Lust auf Ball spielen/ Fahrrad fahren lernen etc“.
Webinar zum Thema Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen
Ich habe für eine Selbsthilfegruppe ein Webinar gehalten, in dem ich etwas näher auf die Thematik eingehe. Du kannst dir hier die Aufzeichnung erwerben:
Einfach nur ungeschickt oder tatsächlich erkrankt?
Diese Frage ist sicherlich die quälendste Frage und viele Eltern scheuen die Abklärung zunächst. In meinen Augen ist das nur allzu verständlich!
Letztlich sind Kinder Individuen und keins entwickelt sich genau gleich wie das andere. Jedes Kind macht seine Schritte in seinem ganz eigenen Tempo. Man hört es von überall: „Lasst den Kindern Zeit!“ Und ja, na klar: Das stimmt auch! Wir sollten nicht an ihnen ziehen!
Gleichzeitig ist es wichtig, achtsam hinzuschauen: Was braucht mein Kind, um sich gut entwickeln und entfalten zu können? Hat es genügend Erfahrungsfelder? Erfährt es Unterstützung? Braucht es etwas anderes als bisher?
Die Entwicklung von Kindern ist variationsreich. Einige wenige lernen bereits mit 8/9 Monaten das freie Gehen. Der überwiegende Teil kann rund um den ersten Geburtstag laufen (Meilenstein), andere erst mit 17/18 Monaten. Im letzten Fall würde man umgangssprachlich gerade noch von einem „Spätentwickler“ sprechen. Aber auch das ist normal im Sinne einer statistischen Normalverteilung. Dieser Punkt hat an der Stelle und so isoliert betrachtet also noch keinen Krankheitswert.
Es gibt aber auch Kinder, die auffällig länger bzw. viel mehr Zeit für bestimmte Entwicklungsschritte benötigen und dann nicht mehr zu den Spätentwicklern zählen. Spätestens zu den sogenannten Grenzsteinzeitpunkten sollte genauer nach dem „Warum“ geschaut werden. Dies ist auch eine Frage der ärztlichen Diagnostik.
Was ist genau eine Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF)?
Man versteht darunter eine Koordinationsstörungen mit Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche im Alltag: zu Hause, Kindergarten, Schule.
Dieser Störung liegt eine Entwicklungsstörung des kindlichen Gehirns zu Grunde, ohne dass ein struktureller Hirnschaden (wie z.B. ein kindlicher Schlaganfall) vorliegt.
Weiterhin gilt abgrenzend, dass die Symptome im Rahmen einer UEMF sich nicht durch eine Intelligenzstörung erklären lassen. Die Kinder zeigen also eine durchschnittliche Intelligenz in der Testdiagnostik, haben aber dennoch Probleme im Alltag.
Beginn der Symptome
Der Beginn der Erkrankungssymptome liegt in der Regel bereits im Kleinkindalter. Rückwirkend betrachtet zeigt sich den Eltern oft ein gewisser roter Faden, der sich durch die Entwicklungsgeschichte ihres Kindes zieht.
Damals hat man den kleinen Anzeichen vielleicht noch keine Bedeutung zugesprochen. Zunächst können die Symptome noch von außen kompensiert werden.
Die Eltern übernehmen dann eben gewisse Handlungsschritte, die das Kind nicht kann. Zähne putzen, Anziehen, Frühstück mundgerecht zubereiten.
Daheim schöpfen die Eltern zunächst keinen näheren Verdacht, solange ihr Kind im Freispiel, mit Hörspielen, dem Tablet oder Fernseher glücklich ist.
Häufig bekommen Eltern auch gesagt „Das wächst sich schon aus“.
Das Fatale beim Erkrankungsbild „Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen“ ist jedoch:
Die Zeit allein bringt keine Besserung. Bei den erkrankten Kindern ist also reines Abwarten keine sinnvolle Hilfe!
Dies zeigen auch Studien, denn mehr als die Hälfte aller Kinder, die im Alter von 5 Jahren die Diagnose Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen erhalten haben, zeigen selbst noch im Alter von 15 Jahren diagnoserelevante Symptome (vgl.: AWMF-Leitlinie).
Krankheitswert bekommt das Ganze v.a. dann, wenn…
- Wiederholungen erkennbar nicht zu wesentlichen Veränderungen führen
- „abwarten“ keine Besserung bringt
- die Kompensationen nicht mehr ausreichen
- die Kinder nicht wirklich gut am Leben teilhaben können
- sie viel länger als bezogen auf das Alter üblich immer wieder auf Unterstützung von außen angewiesen sind
- sie selbst auch gewisse Formen der Unzufriedenheit spüren
- gleichzeitig der soziale Druck durch Institutionen wie Schule und Kindergarten größer wird („Meine Freunde können das alle viel besser als ich, deshalb will ich nicht mit ihnen spielen/malen/Sport machen/in die Schule gehen“).
- testdiagnostisch eine erhebliche Abweichung zu den Leistungen gleichaltriger Kinder festgestellt werden kann.
Und was ist eine Dyspraxie?
Ja, der Begriffedschungel – manchmal ist es wirklich verzwickt. Ich will versuchen, dir einen kleinen Überblick zu bieten.
Dem Begriff der Dyspraxie nähert man sich am besten, indem man sich dem Begriff der Praxie etwas genauer widmet.
Praxie ist das zielgerichtete und zweckmäßige Handeln, basierend auf Bewegungserfahrung, Bewegungsplanung sowie zeitlicher und räumlicher Koordinierung von Bewegungsabläufen. Dies beinhaltet auch die Fähigkeit, ungewohnte Bewegungen auszuführen.
(Quelle: Fortbildungsunterlagen "Entwicklungsbedingte Dyspraxie bei Kindern erkennen und behandeln" vom TFT, 12.4.21)
Umgangssprachlich ist Praxie also eine Form einer altersgemäß entwickelte Handlungsfähigkeit. Das Wort Dyspraxie hat dabei beschreibenen Charakter. Es sollte nicht synonym zu „Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen“ verwendet werden.
Kinder können normalerweise- ihrem Alter angemessen – ein Ziel haben und bezogen auf dieses Ziel zweckmäßig handeln, indem sie beispielsweise ihre Bewegungen danach ausrichten bzw. anpassen. Es geht also um die Umsetzung einer Idee in eine dazu passende Handlung, wozu auch praktisches und angewandtes Wissen zu den einzelnen Handlungen vonnöten ist – Praxie ist dann aber die Ausführung ebendieses in eine TAT. Praxie ermöglicht es den Menschen, mit der Umwelt zu interagieren (vgl. J. Ayres).
Das können übrigens schon Babys: Hunger? Ich muss Mamas Brust finden!
Zu diesem frühen Zeitpunkt helfen noch gewisse Reflexe, die überlebenswichtigen Ziele zu erreichen. Später, wenn die Reflexe integriert sind, ist mehr eigenständiges Planen und Handeln erforderlich. Mögliche Probleme in diesen Bereichen treten dann stärker hervor.
Kinder planen ihre Bewegungen auf Basis vielfältig gemachter Bewegungs- und Wahrnehmungsvorerfahrung (hier spielt auch das Körpergefühl mit hinein).
Und um noch mal auf das Baby zurückzukommen: Dank der Reflexprogramme, die das Baby mit sich bringt, macht es schon in diesem zarten Alter Bewegungserfahrungen und sammelt Wahrnehmungserfahrungen über das Sinnessystem! Ich nenne das immer das „Starterkit“, welches ein Baby mitbekommt ins Leben.
Ein schönes Beispiel, denn auf der Ebene der überwiegend reflektorischen Steuerung ist natürlich weniger eigene Planung notwendig. Erst, wenn diese ersten Erfahrungen gemacht wurden, erweitert sich das Repertoire des Säuglings nach und nach und es kommen gezieltere Planungsaspekte mit hinzu. Wie muss ich meine Muskeln bewegen, damit die Hand zum Mund kommt? Usw. Praxie ist ein adaptiver Prozess – ein erworbener Prozess. Praxie wird erlernt.
Sowohl für Praxie (körpermotorisch) als auch für die Sprache sind 3 Dinge wichtig:
- Ideenfindung und Konzeptbildung (kognitive Funktion)
- Integration sensorischer Eindrücke
- Planung des motorischen Ergebnisses
Ok, zurück zu den etwas älteren Kindern:
Sie sind – abhängig von ihrem Alter – üblicherweise in der Lage, ihre Bewegungen zeitlich und räumlich zu koordinieren, um z.B. eben nicht ständig wieder an dieselbe Tischkante zu stoßen.
Und sie können – aufgrund ihres Körpergefühls und ihrer Bewegung- und Wahrnehmungserfahrungen – auch neue Bewegungen und Abläufe erlernen und planen. Anschauen, abgucken, nachmachen, ein paar mal wiederholen – irgendwann klappt es dann.
Kinder mit einer Dyspraxie haben an genau diesen Stellen Schwierigkeiten!
Am Ende zeigen sich diese Schwierigkeiten dann größtenteils wieder in den bei UEMF beschriebenen Symptomen, weshalb Dyspraxie in Deutschland auch keine eigenständige Diagnose ist. Dyspraxie wird als Syndrom z.B. unter der Diagnose Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen zusammengefasst und darunter codiert , wenn keine andere Ursache gefunden werden kann.
Allerdings: Dyspraxie ist kein Synonym für eine Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen. Sie kann genau so gut im Rahmen anderer Erkrankungsbilder auftreten. Im Speziellen sei hier das Ehlers-Danlos-Syndrom und das Marfan-Syndrom genannt. Auch Kinder mit Erkrankungen des Autismusspektrums zeigen sich oft dyspraktisch. In diesen Fällen würde man die Symptome nicht unter einer umschriebenen Entwicklungsstörung einordnen, sondern im Rahmen der tiefergehenden Erkrankung bewerten. Daher haben viele Eltern diesen Begriff noch gar nicht gehört. Der „rote Faden“ liegt im Bereich der Wahrnehmung und der Planung.
Menschen mit Dyspraxie haben oft Schwierigkeiten, adäquate Strategien zu wählen, weshalb sie im Alltag gerne auch unorganisiert wirken. Jean Ayres bezeichnete Praxis als die „Brücke zwischen Kognition und Handlung“.
Es sei hier nur kurz erwähnt, dass es neben der gesamtkörperlich auf Handlungsfähigkeit fokussierten Praxie und Dyspraxie auch die sprachlich auf Handlungsfähigkeit fokussierte Praxie gibt – das Störungsbild bezogen auf die Sprache nennt sich „Verbale Entwicklungsdyspraxie“ (VED), auf die ich hier aber nicht näher eingehe.
Warum sollte man eine Diagnostik anstreben?
An dieser Stelle möchte ich dir sagen, worum es mir ganz persönlich bei einer Diagnostik bzgl. einer Umschriebenen Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen geht. Und zwar ist das NICHT, Kinder in Schubladen zu stecken.
Ich kann die Sorge diesbezüglich verstehen, ja. Auch die Befürchtung, dass das Kind dann gar nicht mehr gesehen werden könnte wie es ist. Ich kann dir versichern, dass ich dein Kind nicht anhand seiner Grenzen verurteile, sondern immer auch nach den Kompetenzen, Interessen und Vorlieben schaue.
Ich möchte Eltern ermutigen, die Symptome diagnostisch abzuklären, um v.a. 2 Dinge zu bekommen: Mehr Klarheit und Unterstützung!
Warum Klarheit?
Weil Eltern sich Eltern oft viele Gedanken machen oder auch Schuldgefühle haben („Vielleicht mache ich etwas falsch?“).
Und sie sich verloren fühlen zwischen der Gefühlsachterbahn von „das wird schon noch“ bis zu „wie oft soll ich es noch erklären/für dich machen etc.“.
Ich möchte das hier noch einmal betonen: Es ist total normal, wenn dir als Mama oder Papa (oder Fachkraft) manchmal solche Gedanken und Gefühle kommen! Du bist damit nicht allein!
Warum Hilfe?
Weil du nicht mehr alleine kämpfen musst. In dem Moment, in dem feststeht, dass hinter den Symptomen ein Erkrankungsbild steckt, hat dein Kind und habt ihr Anspruch auf Hilfe!
Wie die konkret aussehen kann muss immer individuell betrachtet werden und kommt auch darauf an, welche Aktivitäten deinem Kind schwer fallen und in welchen Lebensbereichen es in seiner Teilhabe am Leben beeinträchtigt ist (z.B. Familienleben, Kindergarten, Schule).
Wie wird eine UEMF (Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen) diagnostiziert?
Als ein Kriterium für eine Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen habe ich weiter oben erwähnt, dass eine deutliche Abweichung der motorischen Fähigkeiten zu denen gleichaltriger Kinder vorliegen muss. Diese muss so ausgeprägt sein, dass man nicht mehr von einem „Spätentwickler“ sprechen kann.
Ob dies der Fall ist, klärt sich am besten anhand eines standardisierten Entwicklungstests. In den Leitlinien wird hier z.B. der Motoriktest M-ABC empfohlen, wobei auch der Gesamtentwicklungsstand betrachtet werden sollte.
In meiner Praxis führe ich diesbezüglich den M-ABC als Motoriktest und den ET6-6R als breiteren Entwicklungstest durch. Wir unterstützen die verordnende Arztpraxis durch diese Vorarbeit dabei, eine genauere medizinische Diagnose stellen zu können.
Was bedeutet das?
Ich als Ergotherapeutin stelle anhand einer Entwicklungsdiagnostik den IST-Zustand fest und in der Auswertung zeigt sich, wie stark der IST-Zustand von der Spanne abweicht, die für diese Altersgruppe üblich wäre.
Ja, da befinden wir uns auf der Ebene des „Vergleichens“. Dies ist aber, um einen Krankheitswert zu definieren und gewisse Unterstützungen zu erhalten, an dieser Stelle im Therapieprozess tatsächlich sinnvoll.
Neben standardisierten Entwicklungstests ist auch eie Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und ein Befund unterstützend. Denn neben der Begutachtung von Körperfunktionen geht es in der Ergotherapie viel mehr darum, wie Kinder in Aktion treten können, ob sie im Alltag zurechtkommen, zufrieden mit sich selbst sind und ob sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Ich schau mir also ganz konkret an: Wie handelt und hantiert das Kind? Hat es einen Wunsch, eine Idee, kann es sich einen Plan machen und wie sieht es aus, wenn es diesen dann durchführen möchte?
Aber zurück zur Testdiagnostik. Angenommen, wir haben nun ein paar Daten erheben können, dann ist damit aber immer noch nicht die Frage nach dem WARUM geklärt. Diese ist, wie weiter oben bereits erwähnt, eine Frage der ärztlich-medizinischen Diagnostik und es gibt mehrere mögliche Krankheitsbilder, die bei Koordinationsproblemen in Betracht kommen könnten.
Ich zitiere aus der AWMF-Leitlinie:
"Da Bewegungs- und Koordinationsprobleme vielerlei Ursachen haben können, ist eine qualifizierte ärztliche Untersuchung erforderlich. Dabei sind nicht nur organische, sondern auch seelisch-geistige Ursachen sowie soziale Risikofaktoren zu berücksichtigen."
Quelle: AWMF-Leitlinie zur UEMF
Es muss also z.B. sicher sein, dass das Kind z.B. auch die Möglichkeiten hatte, gewisse Fähigkeiten zu erlernen (gibt es Stifte und Schere zu Hause? Hat dem Kind jmd. gezeigt, wie man mit einer Zahnbürste umgeht?).
Weiterhin muss folgender Aspekt geklärt sein:
"(...) die Bewegungs- und Koordinationsprobleme können nicht anderen bestehenden körperlichen oder neurologischen Erkrankungen oder Verhaltensstörungen zugeschrieben werden."
Quelle: AWMF-Leitlinie zur UEMF
Eine körperliche und zumindest orientierend pädiatrisch-neurologische Begutachtung sollte also erfolgt sein und die rein motorischen Ergebnisse sollten in Zusammenhang zum Gesamtentwicklungsstand gesetzt werden.
Ergotherapie bei Dyspraxie und UEMF
Ist eine Diagnostik angemacht oder steht die Diagnose bereits fest, dann hat dein Kind natürlich auch Anspruch auf eine Behandlung – und Ergotherapie ist da eine von mehreren Möglichkeiten, sich den Alltagsproblemen anzunehmen.
Für eine ergotherapeutische Behandlung stellen die Ärztinnen ein sogenanntes Heilmittelrezept aus, auf dem verschiedene Angaben zu machen sind:
Diagnose: Hier wird in der Regel der sogenannte Diagnosecode als ICD-Schlüssel hinterlegt. Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen wird am häufigsten unter dem ICD-Code F82.0 verschlüsselt. Sollte die Diagnose noch nicht ganz eindeutig sein, so darf die Arztpraxis das Rezept auch mit Verdachtsdiagnose ausstellen. Dann können wir schon mal mit der Entwicklungsdiagnostik beginnen.
Indikationsschlüssel: Bei Kindern ist es häufig der Indikationsbereich EN1 (Entwicklungsstörung bis spätestens zum 18. Lebensjahres) oder auch PS1.
Leitsymptomatik: Die Angabe macht deutlich, in welchen Alltagsbereichen die Symptome Schwierigkeiten bereiten.
Frequenz: Hier wird auf dem Rezept eingetragen, wie oft in der Woche ihr kommen dürft. Meist steht eine Spanne von „1-2 x “ oder sogar 1-3 x“ aufgeschrieben. Das ist super, denn damit sind wir etwas flexibler, v.a., wenn in einer Woche ggf. mal eine Stunde ausgefallen sein sollte (Krankheit, Urlaub, etc).
Anzahl pro Rezept: Steht die Diagnose, so werden üblicherweise 10-er-Rezepte ausgestellt. In der Phase der Diagnosefindung (also wenn ihr zunächst nur eine Verdachtsdiagnose habt) kann es auch sein, dass ihr erst einmal ein 5-er Rezept erhaltet.
Hilfsmittel und Förderspiele bei UEMF
Die Werbung kommt von Herzen, denn es handelt sich nachfolgend um Produkte, die ich entweder selbst nutze oder die mir von Eltern empfohlen wurden. Ich nutze Affiliatelinks. Das bedeutet, dass ich eine winzig kleine Provision erhalte, falls du Artikel kaufst. Für dich ändert sich aber nichts am Preis und ich nutze das Geld für kostenlose Angebote und Informationen.
Dies ist nur ein sehr, sehr kleiner Ausschnitt. Die mehr Ideen bekommst du auf meiner Unterseite www.elkekumar.de/empfehlungen . Aber Achtung: Die Fülle an Bildern macht es an mobilen Geräten unübersichtlich. Schau also lieber am PC oder Notebook – das macht mehr Sinn!
Pflegegrad bei UEMF
Da ich als Ergotherapeutin viel über den Alltag des betroffenen Kindes erfahre, kann ich meist gut abschätzen, ob die Beantragung eines Pflegegrades Sinn macht oder nicht. In der Regel gehe ich im Elterngespräch gemeinsam mit ihnen einen Pflegegradrechner durch, denn oftmals herrscht doch ein großes Unverständnis bei diesem Wort.
Glücklicherweise gibt es auch für Kinder einen Pflegegrad und damit verschiedene Formen der Unterstützung. Und keine Sorge: Die Versorgung deines Kindes musst da dabei nicht in fremde Hände geben.
Aber eine Unterstützung im Haushalt, Geldleistungen oder auch Rentenpunkte als Ausgleich dafür, dass jemand von euch beruflich zurückstecken muss sind oft schon eine große Erleichterung für die Familien.
Reha bei UEMF und Dyspraxie
Manchmal macht es Sinn, für eine gewisse Zeit intensiver an bestimmten Themen zu arbeiten. Dann ist eine Frequenz von einmal wöchentlich ambulante Ergotherapie einfach nicht ausreichend.
Insbesondere, wenn nicht nur die Motorik von einer Entwicklungsstörung betroffen ist, sondern ggf. auch die Sprache, ist eine intensivere Behandlungsphase günstig.
Ein weiterer Punkt ist, dass es für Eltern im Alltag sehr sehr ermüdend sein kann, alle nötigen Therapien mit ihren Kindern ambulant anzufahren. Therapieplätze sind rar und so müssen Familien oft auch Zeitfenster nehmen, die den Tag zerstückeln oder einfach vom Energiemanagement her nicht sinnvoll liegen. Manchmal werden aus solchen Organisationsproblemen heraus manche Therapien erst gar nicht oder nicht in ausreichender Dichte wahrgenommen.
Es gibt nicht viele Rehakliniken, die sich auf Kinder mit UEMF spezialisiert haben. Damit du ein paar Ideen/ Anlaufstellen hast, verlinke ich dir hier, von welchen ich bisher gehört habe:
Schwerpunkt Motorische Entwicklungsstörung:
14772 Brandenburg an der Havel: VAMED-Klinik
Schwerpunkt Verbale Entwicklungsdyspraxie:
PLZ 49143: Bissendorf – Klinik Werschenberg
Medizinische Leitlinie zu UEMF
Ich habe bereits einige Stellen im Text zitiert, aber ich möchte dir die Originaldokumente nicht vorenthalten.
Medizinische Leitlinien sind Handlungsempfehlungen, die allen Beteiligten im Gesundheitssystem bei bestimmten Erkrankungen eine Orientierung bieten sollen.
Zur UEMF wurde die Leitlinie zuletzt im Jahr 2020 angepasst. Hier findest du sie im Detail:
Patientenleitlinie (auch für Fachkräfte im pädagogischen Bereich)
Ich hoffe, dass ich dir mit meinen Ausführungen ein wenig weiterhelfen konnte. Schreib mich gern an, um welche Punkte ich den Artikel erweitern soll und mache auch das Personal in Kindergarten und Schule auf diesen Artikel aufmerksam.
Liebe Grüße von Elke
Selbsthilfegruppen und hilfreiche Links im Internet:
Eltern- Selbsthilfegruppe auf Facebook
Selbsthilfegruppe „Dyspraxie in der Schule“
www.dyspraxie-online.de: Informationsportal in Deutschland, über das auch Vor-Ort-Selbsthilfetreffen organisiert werden